Liebe Gemeinde,
Maria Reiche lebte in einem kleinen Haus am Rande der Wüste Perus. Es war in dieser einsamen Ödnis, dass sie zum ersten Mal Spuren im Wüstengestein erblickte: Lange, in die Landschaft geritzte Linien. Es gäbe Hunderte davon, gab man ihr zu Antwort, als sie sich näher erkundigte. Aber nein, niemand wusste, woher sie kamen oder was sie zu bedeuten haben. Und warum sollte man sich abplagen damit? In der Gegend lebten Menschen schon seit Jahrhunderten damit, und sie hatten keine Antworten gefunden. Doch damit gab Maria sich nicht zufrieden. In ihr war die Frage nach der Bedeutung der Linien entfacht. Und dieser folgte sie den Rest ihres Lebens.
1941, als der 2. Weltkrieg weltweit wissenschaftliche Arbeit zum Stillstand brachte, stieg Maria Reiche gemeinsam mit dem Historiker Paul Kosok in ein kleines Flugzeug und machte aus der höheren Perspektive eine erstaunliche Entdeckung: die Linien von Nazca waren nicht „nur“ Linien; sie waren riesige, überdimensionale Bilder. So groß waren diese Bilder, dass die allermeisten keinen Sinn ergaben, wenn sie nicht aus der Höhe betrachtet wurden. Anders gesagt, die Bilder in der Wüstenlandschaft Perus wurden über Jahrtausende buchstäblich nicht „gesehen“, weil den Betrachtern die Perspektive fehlte.
Auch die aktuelle Lage konfrontiert uns mit Phänomenen, welche sich nicht sofort erschließen. Und ja, es ist mühsam, diese zu entziffern. Seit die Covid-19 Pandemie vieles in unserem Leben zum Stillstand gebracht hat, sehnt man sich nach einer Rückkehr in das vertraute, „normale Leben“. Doch was ist das normale Leben, und wollen wir wirklich alles so haben, wie es war? Durch die Pandemie haben wir die Möglichkeit bekommen, unser Leben aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Es sind nicht nur punktuelle Aufgaben und Verabredungen, die unseren Alltag prägen, sondern es zwängen sich Phänomene in unser Leben, welche nur dann zu verstehen sind, wenn wir sie in einen größeren Kontext stellen. Dann ergeben sich aus den Einzelheiten große Bilder. In dieser Michaeli-Zeit kann das Leben Maria Reiches für uns eine Lehre sein, unser Leben aus einer höheren Perspektive betrachten: Der Perspektive des Geistigen.
Mit besten Grüßen für die Michaelizeit,
Ihr Marcus Knausenberger