Gemeindebrief – Michaeli 2021

Liebe Gemeinde,
zu Pfingsten erlebten die Menschen an den Jüngern eine tiefgreifende, gnadenvolle Verwandlung: Sie hatten eine ganz neue Stimmung in ihrer Seele, hatten alle Engigkeit und Eigensüchtigkeit des Lebens verloren, hatten ein unendlich weites Herz, eine umfassende Toleranz im Inneren gewonnen, ein tiefstes Herzensverständnis für alles, was menschlich ist auf der Erde. Dies kann einem ja ein höchstes Ideal werden, was in den Jüngern damals schon lebendig geworden war. So heißt es dann zu Johanni auch: Ändert euer Leben von Grund auf! So wie wir sind, können wir dieses Ideal noch nicht verwirklichen.
Zu Michaeli steht der Drache bildhaft vor uns. Heute müssen wir sagen: Er ist in uns, in unserer Seele, dort werden wir mit seinen Kräften konfrontiert, da geschieht die Auseinandersetzung. Die „Drachenkräfte“ haben immer die Tendenz, Fremdes zu vernichten, zu töten. Es sind seine Waffen, die Waffen des Widersachers, die uns dazu anstacheln zu vernichten, was uns fremd ist. So kann der Drache selbst nicht getötet werden, er muss anders überwunden werden. Das lehrt uns Michael, wie wir es auf zahlreichen Darstellungen sehen können.
Aber wie kann ich dem Drachen begegnen, meinen „Fuß“ auf ihn setzen? Wenn wir den Christus auf Seinen Wegen begleiten, erleben wir, wie er nicht auf die soziale Stellung der Menschen achtete, nicht darauf, ob die Menschen anders dachten, aus anderen Kulturen oder Religionen kamen, ob sie ganz anders waren, fremd waren, sondern es war Ihm allein wesentlich, ob sie sich auf eine Begegnung mit Ihm einließen. So könnte man auch sagen, die „Waffen des Christus“ waren Integration und Empathie, bei Ihm letztlich Liebe. Das hieße für uns heute als Lernweg: Sich auf das Fremde einzulassen, sich zu interessieren, den eigenen Standpunkt zu befragen, notfalls zu korrigieren. Dabei soll die eigene Mitte nicht aufgegeben werden. Sie wird im Gegenteil durch die echte und anerkennende Begegnung mit dem anderen Menschen gestärkt.
All das schwächt den Drachen, der immer einen Vernichtungswillen hat, aus Angst, das Eigene dadurch zu verlieren. Er scheut echte Hingabe, er zeigt kein Interesse für Andersartiges. „Opfern“ ist heute fast schon zum Schimpfwort geworden. Auf Schulhöfen wird es als größtmögliche Entwertung dem Anderen zugerufen: Du Opfer! Einer hat sich bewusst, in voller Liebe und Stärke zum Opfer für uns alle gemacht. Er hat sich hingegeben an all das, was Sein Erdenschicksal mit sich brachte: Leiden und letztlich den Tod. Eigene Vorstellungen opfern zu lernen, den göttlichen Willen in das eigene Leben zu integrieren, in den eigenen Willen, bildet in uns eine neue Beziehung zu uns selber und zur Welt. Durch die Tat des Christus auf Golgatha können wir dieses Neue, die Pfingstkraft, die wir auch die Kraft der Integration, eines umfassenden Verständnisses für alles Menschliche auf der Erde nennen, ein unendlich weites Herz in uns lebendig machen. Michaeli lenkt unseren Blick auf den Drachen in der eigenen Seele, auf unseren „Schatten“, der auch Doppelgänger genannt werden kann. Die Auseinandersetzung mit diesen dunklen Anteilen ist heute Voraussetzung, um dieses Finstere in Licht zu verwandeln, den „Fuß“ auf den Drachen zu stellen, ihn beherrschen zu lernen.
Michael kann uns lebendiger Beistand, kann uns Bruder und Weggefährte werden, wenn wir uns mit seinen Kräften verbinden wollen. Er ist keine Gestalt aus vergangenen Sagen und Mythen, sondern kann als reale, anteilnehmende Kraft an all unseren Schicksalen erlebt werden.
Der Umgang mit diesen Kräften, die Begegnung mit dem „Doppelgänger“, auch mit den Todeskräften, soll im folgenden Programm im Zentrum stehen, einmal aus priesterlicher Sichtweise und einmal aus psychotherapeutischer. Dazu haben wir Martina Alexi, die als Priesterin in Greifswald arbeitet, sowie Prof. Dr. Till Florschütz, der als Psychotherapeut, Musiktherapeut und Supervisor in Hamburg tätig ist, eingeladen.
Der Umgang mit diesen Kräften, die Begegnung mit dem „Schatten“, auch mit den Todeskräften, soll im folgenden Programm im Zentrum stehen, einmal aus psychotherapeutischer und einmal aus priesterlicher Sichtweise. Dazu haben wir Prof. Dr. Till Florschütz, der als Psychotherapeut, Musiktherapeut und Supervisor in Hamburg tätig ist, sowie Martina Alexi, die als Priesterin in Greifswald arbeitet, eingeladen. Wir hoffen auf einen erfüllten Herbst mit Ihnen, auf Begegnung und Vertiefung, und wir wünschen Ihnen Kraft und Licht für die Herbstzeit!
Auch im Namen meiner Kollegen, Ihre Alexandra Messias