Die Lotusblume wächst dadurch, dass sie ihre Wurzeln
im Modder, im Schlamm hat. Sie wächst nicht auf gutem
Mutterboden, sondern je älter und modriger der
Schlamm ist, desto besser wächst die makellose Blüte.
(Aus dem Buddhistischen)
Liebe Gemeinde,
viele Menschen schreckt heute die Institution Kirche ab. Das liegt auch daran, dass die Kirche den Fokus über die letzten Jahrhunderte hinweg stark auf den „sündigen“ Menschen gelegt hat. Der Mensch sollte möglichst so leben, dass er nicht sündigte, dass er sich quasi gen Himmel strecken, alles „Böse“, Verführerische verdrängen sollte, die Gebote einhalten und ein gottgefälliges Leben zu führen hatte.
So wurden schon Kinder zur Beichte genötigt, um ihre „Sünden“, ihre schlechten Gedanken, Lügen, und sonstiges Fehlverhalten Gott gegenüber zu bekennen und zu sühnen. Der Priester ordnete dann eine Reihe von Gebeten an, die zu sprechen waren. Das Gebet war das Mittel, um die Sünden wieder gut zu machen.
Auch wenn das für die meisten von uns heute sehr fremd und abschreckend erscheint, steckt uns doch vieles von diesem Gedankengut noch in den Knochen.
Das Wort Sünde taucht hauptsächlich noch im kirchlichen Bereich auf. Wir würden heute vielleicht eher vom Scheitern, von Verfehlungen und von Fehlern im Allgemeinen sprechen. Eine Kultur des Fehlermachens, des Scheiterns aber haben wir kaum. Ein Mensch beispielsweise, der beruflich oder privat in große Schwierigkeiten gekommen ist, der dadurch vielleicht sogar an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde, wird oft gleich als „gescheiterte Existenz“ bezeichnet.
Der Umgang mit dem Scheitern, mit Fehlern, mit Schwierigkeiten in der Lebensführung, mit Abhängigkeiten und sogar mit Krankheit, scheint in unserer Kultur noch oft zu Ausgrenzung und Isolation zu führen.
Woraus aber lernen wir? Doch auch aus den Fehlern, aus dem Scheitern. Aus dem, wo etwas nicht gelingt, sogar aus Krankheit und Leid.
Auch im Umgang mit uns selbst, mit der eigenen Seele grenzen wir oft aus; verdrängen Schwieriges, Beängstigendes, Fremdartiges, Ungewolltes.
Wie handelt der Christus? Wie geht er mit den Außenseitern, den Sündern um?
„Ich bin nicht gekommen, um euch zu richten, sondern um zu heilen“.
Konsequent wendet Er sich den Kranken, den aus der Gesellschaft Ausgestoßenen zu, den am Rande Stehenden. Den Geächteten, den Fehlbaren, den Sündern.
Er berührt sie – spricht ein Wort der Heilung – Er nimmt sich ihrer an und bewirkt Verwandlung. Es ist immer Sein Blick auf das, was daraus werden will. Nicht der Blick auf die Ursache, die Vergangenheit. Krankheit kommt niemals als Strafe in ein Schicksal. Aus Absonderung, Schwäche, gerade auch aus der Sünde will etwas werden. Dass wir mit dem liebenden Blick des Christus gemeinsam darauf schauen lernen. Dass Sein Ich, Seine Kraft in dem, was krank ist, was „sündig“ ist, also in dem, was sich abgesondert hat, wirksam werde und eine neue Fähigkeit daraus werden kann. Dass wir uns selbst wieder finden, das Göttliche, den Christus in uns lebendig machen.
Sich auch selber, mit der Kraft des eigenen Ich, mit Bewusstsein den eigenen Schwächen, den Abirrungen und Verleugnungen zuzuwenden, bringt Licht und Wärme in die eigene Seele. Nicht Ausgrenzung, sondern Integration ist das Neue, was durch das Christentum in die Welt kommen will.
Mit lichten Kräften für die kommende Zeit im Namen der Pfarrer Ihrer Gemeinde
Alexandra Matschinsky
Den gesamten Gemeindebrief als PDF-Datei finden Sie hier.