Gemeindebrief – Pfingsten Johanni 2022

Liebe Gemeinde,
ein wichtiges, wiederkehrendes Motiv in den Evangelien ist das Thema der Mitte. Jesus bleibt mit der Ehebrecherin allein in der Mitte, nachdem ihre Ankläger den Tempel verlassen haben. Der auferstandene Christus erscheint immer wieder „mitten unter den Jüngern“, wenn sie sich nach Ostern versammeln. Und auch Johannes greift dieses Thema in seiner Verkündigung zur Sinneswandlung auf: „Mitten unter euch wandelt einer, den ihr nicht kennt, und dessen Sandale zu öffnen ich nicht würdig bin“.
Was oder wer ist diese Mitte und wie können wir sie für uns verstehen? Stellen wir zunächst die Frage an uns selber: Wo oder was ist „meine“ Mitte? Fühle ich mich jetzt in meiner Mitte oder eher außerhalb ihrer? Was kann ich tun, um die Mitte meines Wesens aufzuspüren? Und dann – was hat diese Mitte mit meiner Verbindung zum Wesen des Christus zu tun? Gehen wir der Beschreibung des Evangeliums nach, so wird deutlich, dass die Mitte ein Ort des Versammelns oder schlichtweg nur des Sammelns ist. In der Mitte findet man sich einträchtig beisammen – versammelt als Teil eines Ganzen – entweder in Gemeinschaft mit anderen oder alleine. Wesentlich ist das Auftreten des Christus „mitten unter“. Die Mitte scheint ein Ort zu sein, der auf besondere Weise mit dem Christus in Zusammenhang steht.
Unsere Epistel in der Johannizeit erweitert den Blick auf die Mitte um eine weitere Dimension. Mit ihrem rhythmischdramatischen Wortlaut wird die Bedeutung der Mitte noch einmal gesteigert. Hier heißt der Raum, welcher mit dem Wesen des Christus verbunden ist, Welten-Mitte. Weiter heißt es, dass die allwaltende, allsegnende Kraft des Vaters in der Weltenmitte zur Christus-Sonne reift. Indem wir uns immer wieder sammeln – gemeinschaftlich und alleine – und die Mitte pflegen, nimmt sie eine Qualität auf, welche unsere Mitte zur Weltenmitte werden lässt.
Aber ebenso wenig, wie wir ein Licht um des Lichtes willen anzünden, sondern, weil es die Gegenstände des Raumes erhellt und sichtbar macht, so suchen wir die Mitte nicht um der Mitte willen auf, sondern weil die Christus-Sonne, welche selbst die Mitte ist, dadurch auf die Tatsachen unseres Lebenswegs leuchten mag.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine lichte Johannizeit, auch im Namen des Pfarrerkollegiums, Marcus Knausenberger