Gemeindebrief – Pfingsten Johanni 2019

Liebe Gemeinde,

Die Lebendigkeit unserer Erde wird dort besonders deutlich,
wo Kontraste aufeinandertreffen. Zugvögel z.B. lieben den
wechselvollen Übergang zwischen dem wässrigen Element
des Meeres, und dem festeren Element der Küstenlandschaft.
Dort finden sie reichlich Nahrung und ziehen ihre Brut heran.
Der Saum eines Waldes, da wo er übergeht ins fruchtbare
Ackerland, ist ein besonders beliebter Ort für Vögel und
Insekten. Auch die Vielfalt an Pflanzenleben ist gesteigert an
einen solchen Übergang.

Auch in unserem Menschenleben findet viel Wesentliches
an Übergängen statt. Manchmal entstehen die wichtigsten
Gespräche nicht dort, wo man sich dafür Zeit nimmt, sondern
an der Türschwelle beim Abschiednehmen. Christus
selbst hat mehrfach auf die Bedeutung des Übergangs als
Stätte des Geistigen hingewiesen. Das Gleichnis von der
Königlichen Hochzeit ist ein solches Beispiel. „Gehet hin, wo
die Wege sich begegnen und sammelt alle, die ihr dort findet.“
Seine grundsätzliche Lehre an den Jüngerkreis zu seiner
Anwesenheit nach der Auferstehung lautet: Wo zwei oder
mehr in meinem Namen versammelt sind, da bin ich. Offenbar
bildet sich an der Schwelle zwischen Mensch und Mensch
ebenfalls eine besondere Stätte, wo die Wirksamkeit des
Geistes anwesend ist. Viele Menschen aus unserer Gemeinde
berichten über die besondere Qualität des Gespräches beim
Abschiednehmen eines sterbenden Menschen. Auch dort
treffen an der Schwelle von Mensch zu Mensch zweierlei
Welten aufeinander und lassen den Geist auf besondere
Weise zur Erscheinung kommen.

Die Sakramente der Christengemeinschaft sind ebenfalls
Übergangsmomente. Die Menschenweihehandlung z.B. wird
immer morgens, in der Zeit der Auferstehung vollzogen, also
am Übergang zwischen Nacht und Tag. Viele Sakramente wie
die Taufe, Konfirmation und letzte Ölung sind an biographische
Übergänge gelegt.

Vielleicht können wir sagen, dass der Christus selbst, dessen
Wesen am vollkommensten in der Wandlung zum Ausdruck
kommt, der Herr des Übergangs ist, und dass es der Weg
eines Christen ist, stets die Übergänge von Tag, Woche, Jahr,
ja sogar in der eigenen Biographie aufzuspüren und Seine
Wirksamkeit dort zu entdecken.

Mit herzlichen johanneischen Grüßen,
im Namen des Pfarrerkollegiums, Ihr Marcus Knausenberger

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Gemeindebrief – Frühjahr 2019

„Im Kampf für die Liebe sind nur verwundete Krieger tauglich“

Thornton Wilder

Liebe Gemeinde,

könnte nicht einer auftauchen, der die Welt mit entschlossener Hand, mit einem Heer von starken Mitstreitern wieder richtet? Bräuchten wir nicht eine Streitmacht, die durchgreift, Werte wieder herstellt, uns aufrüttelt, eine Macht, die alles wieder zurecht rückt, was so aus den Fugen geraten ist

Könnte nicht endlich einer durchgreifen? So kann man heute ja durchaus denken in einer stillen Minute. Statt dessen steht in der Passionszeit ein völlig anderes Bild vor uns: Einer, der ganz auf äußere Macht verzichtet hat, Einer, der ohnmächtig scheint, zerschunden, zerschlagen. In all dieser Ohnmacht ist Er aber frei! Er richtet nicht, verurteilt seine Peiniger nicht. Denn in Ihm sind nur Freiheit und Liebe. Liebe zu allen Menschen, allen Wesen. Diese Liebe strahlt uns als höchstes Licht vom Kreuz entgegen, ermutigt uns, stärkt uns als die Kraft, die immer mehr in uns wachsen will. Diese beiden, die Liebe und die Freiheit sind Seine Waffen, die Er radikal einsetzt, und die Er uns jederzeit schenkt. Diese beiden Kräfte können nur aus dem Herzen entstehen. Und nur durch radikale Wandlung unseres Wesens. Das bedeutet immer auch Schmerz. Denn echte Wandlung geschieht immer außerhalb der Komfortzone, ist nicht bequem und leicht. Doch in jeder Finsternis ist Er anwesend, reicht uns die Hand und ist uns ein allerverlässlichster Begleiter

So wünschen wir Ihnen die guten Kräfte, um das zu tragen, was Ihnen Ihr Schicksal entgegenbringt. Gerade das Miterleben der Karwoche stärkt uns darin.
Mit den besten Wünschen, im Namen des Pfarrerkollegiums

Ihre Alexandra Matschinsky

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Gemeindebrief – Winter 2018

Liebe Gemeinde,

in dieser Jahreszeit feiern wir den Abstieg des Lichts der Welt in unsere dunkle Erde. Der Christus sucht in der Menschen Seele eine Stätte, woraus er wirken kann. Wie mag eine solche Stätte aussehen?
Wenn man in der Winterzeit durch den amerikanischen Bundesstaat Arizona zum Grand Canyon fährt, führt der Weg zunächst durch eine weite, karge, gleichmäßige Ebene. Verkrümmte Pinien und Wacholderbäume sowie Wüstensalbei wachsen scheinbar bis zum unendlichen Horizont hin. Kein Zeichen in dieser Ödnis gibt auch nur eine leise Vorahnung auf die majestätische und abgrundtiefe Schlucht, die sich öffnet, sobald man den Rand dieses Wunderwerks der Natur erreicht.
Diese Schlucht mit ihrer fast 2000 Meter tiefen Kulisse lag vor 6 Millionen Jahren noch fast vollständig in den Erdentiefen verborgen. Wie eine im Marmor verborgene Skulptur, ehe der Bildhauer Hammer und Meißel ansetzt, entstanden die Windungen und Konturen des Canyons aus dem sich-hinein-ritzenden Colorado-Fluss in seiner Mitte. Erst aus der Ebene, dann immer tiefer und tiefer, wurden von einem mit unendlicher Geduld ausgetragenen Erd-Abbau-Prozess über unvorstellbar lange Zeiträume hin die Ausgrabungen vollzogen. Und je tiefer die Wunde in dieser einstigen Ebene auseinanderklaffte, umso beeindruckender wurde sie.
Heute ist dieser Ort eins der meist besuchten Naturwunder der Welt. Viele suchen diesen Ort jedes Jahr auf, um am Rande der Ödnis in ihre Tiefe blicken zu können. Einige wagen auch den Abstieg herunter zum Colorado-Fluss. Auffällig ist, dass wir Menschen geradezu angezogen werden von dem Anblick einer solchen Welten-Tiefe. Nicht in der unberührten Ebene, sondern in dem Abgrund sucht der Mensch für sich Erneuerung, sucht er neue Perspektiven.
Der Christus sucht nicht die flachen und unberührten Stellen der menschlichen Seele, sondern er kann sich nur verbinden, wenn sich ein Abgrund dem Himmel öffnet. Finden wir den Mut, in den Abgrund zu schauen, erblicken wir den Ort, der seit fernen Zeiten als Geburtsstätte vorbereitet wird.
In den kommenden Festeszeiten wollen wir zusammen mit Ihnen die Frage nach seiner Wiederkunft im Menschen stellen. Inwiefern beinhaltet das Leben und Wirken des Jesus von Nazareth Hinweise auf seine Wirksamkeit hier und jetzt?
Inwiefern können die Abgründe der menschlichen Seele darauf vorbereiten, sein Wesen zu empfangen? Sowohl das Evangelium als auch die Teilnahme an den Sakramenten kann uns mit entscheidenden Hinweisen und neuen Erkenntnissen beschenken.

Mit adventlichen Grüßen im Namen des Kollegiums,
Marcus Knausenberger


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Gemeindebrief – Herbst 2018

Liebe Gemeinde,

wir sind einen inneren Weg gegangen durch das Kirchenjahr und treten nun in die Michaelizeit ein. Das Göttliche Licht, das in die Welt gekommen ist, begleitet und erhellt unser Leben und weitet unsere Seele. Die eigene Seele immer mehr den geistigen Kräften zu öffnen und sie in das tägliche Leben einzubeziehen ist unsere Aufgabe als Menschen.

Die Michaelizeit fordert uns nun dazu auf, selbstbewusst die göttlichen Weltenziele zu verwirklichen. Auf unsere mutigen Herzen kommt es an, die die Wirksamkeit des Göttlich-Geistigen erkennen und sich fühlend und denkend ganz mit dem Willen verbinden, sein Licht im Erdenalltag leuchten zu lassen. Dafür kann Michael unsere Herzenskräfte stärken. Mit seinem Wirken wollen wir uns in den kommenden Wochen auf verschiedene Weise beschäftigen.

Herzlich grüßt Sie im Namen des Pfarrerkollegiums

Anke Nerlich


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Gemeindebrief – Sommer 2018

Liebe Gemeinde,

„Ich glaube nur, was ich sehe.“ Der Blick auf die Welt hat sich durch die Entwicklung der Naturwissenschaften verändert. Auf der Suche nach Erklärungen für die Phänomene, die
uns die Natur zeigt, ist die Menschheit weit in die kleinsten Räume und die größten Entfernungen vorgedrungen. Der Bau der Materie aus Atomen und deren Bestandteilen ist
erforscht. Die Gesetze, nach denen Sterne entstehen und vergehen, sind beschrieben worden. Viele Lebensvorgänge in der Natur sind geklärt und das heutige medizinische Wissen
über den menschlichen Körper wäre vor einem Jahrhundert unvorstellbar gewesen.

Durch die Kultur, in der wir leben, hat sich der Blick auf das verengt, was sinnlich erfahrbar ist. Was nicht mit den Sinnen zu schauen ist, gilt als Spekulation. Ein Teil der Welt lässt sich
aber nur übersinnlich erfahren. Er ist da, auch wenn er durch die Naturwissenschaften nicht beschrieben werden kann. Es braucht übersinnliche Wahrnehmungsorgane, durch die sich
dieser Teil der Welt offenbaren kann. Dazu brauchen wir neben der Naturwissenschaft eine Geisteswissenschaft. Sie zeigt, wie durch innere Schulung diese übersinnlichen Wahrnehmungsorgane angelegt werden.

Johannes der Täufer lehrte seine Jünger: „Ändert euren Sinn!“ Er zeigte ihnen, wie sie durch ihre sinnlichen Wahrnehmungen hindurch Übersinnliches erfahren können. Diese alte
Fähigkeit war der Menschheit verloren gegangen. Johannes arbeitete dafür, dass sie den Menschen wieder zur Verfügung stehen sollte. Heute ist seine Forderung nach Sinneswandlung umso drängender, da die Welt aus der Perspektive der Naturwissenschaften allein nicht beschrieben werden kann.
Mit dem Pfingstfest öffnet sich der Blick auf den Geist, der in der Welt wirksam ist. Wie kommt der Geist in die Welt?

Dieser Frage wollen wir zwischen Pfingsten und Johanni nachgehen. Der Landwirt Mathias von Mirbach wird darstellen, wie sich durch die Arbeit mit den landwirtschaftlichen
Präparaten Geistiges mit der Erde verbindet. Tiiu in’t Veld wird mit Wahrnehmungsübungen den Wirkungen des Geistes im Alltag auf der Spur sein. Joachim Paulus blickt in seinen
Vortrag auf den Zusammenhang zwischen Materie und Geist. Wie kann die Beobachtung des Geistes zu unserem täglichen Brot werden? Ein Abend mit dem Pfarrerkollegium wird
Gelegenheit zum Austausch geben.

Eine erfüllte Sommerzeit wünscht Ihnen im Namen des Pfarrerkollegiums
Christian Bartholl


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Gemeindebrief – Frühjahr 2018

Die Lotusblume wächst dadurch, dass sie ihre Wurzeln
im Modder, im Schlamm hat. Sie wächst nicht auf gutem
Mutterboden, sondern je älter und modriger der
Schlamm ist, desto besser wächst die makellose Blüte.
(Aus dem Buddhistischen)

Liebe Gemeinde,

viele Menschen schreckt heute die Institution Kirche ab. Das liegt auch daran, dass die Kirche den Fokus über die letzten Jahrhunderte hinweg stark auf den „sündigen“ Menschen gelegt hat. Der Mensch sollte möglichst so leben, dass er nicht sündigte, dass er sich quasi gen Himmel strecken, alles „Böse“, Verführerische verdrängen sollte, die Gebote einhalten und ein gottgefälliges Leben zu führen hatte.
So wurden schon Kinder zur Beichte genötigt, um ihre „Sünden“, ihre schlechten Gedanken, Lügen, und sonstiges Fehlverhalten Gott gegenüber zu bekennen und zu sühnen. Der Priester ordnete dann eine Reihe von Gebeten an, die zu sprechen waren. Das Gebet war das Mittel, um die Sünden wieder gut zu machen.
Auch wenn das für die meisten von uns heute sehr fremd und abschreckend erscheint, steckt uns doch vieles von diesem Gedankengut noch in den Knochen.
Das Wort Sünde taucht hauptsächlich noch im kirchlichen Bereich auf. Wir würden heute vielleicht eher vom Scheitern, von Verfehlungen und von Fehlern im Allgemeinen sprechen. Eine Kultur des Fehlermachens, des Scheiterns aber haben wir kaum. Ein Mensch beispielsweise, der beruflich oder privat in große Schwierigkeiten gekommen ist, der dadurch vielleicht sogar an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde, wird oft gleich als „gescheiterte Existenz“ bezeichnet.
Der Umgang mit dem Scheitern, mit Fehlern, mit Schwierigkeiten in der Lebensführung, mit Abhängigkeiten und sogar mit Krankheit, scheint in unserer Kultur noch oft zu Ausgrenzung und Isolation zu führen.
Woraus aber lernen wir? Doch auch aus den Fehlern, aus dem Scheitern. Aus dem, wo etwas nicht gelingt, sogar aus Krankheit und Leid.
Auch im Umgang mit uns selbst, mit der eigenen Seele grenzen wir oft aus; verdrängen Schwieriges, Beängstigendes, Fremdartiges, Ungewolltes.

Wie handelt der Christus? Wie geht er mit den Außenseitern, den Sündern um?
„Ich bin nicht gekommen, um euch zu richten, sondern um zu heilen“.
Konsequent wendet Er sich den Kranken, den aus der Gesellschaft Ausgestoßenen zu, den am Rande Stehenden. Den Geächteten, den Fehlbaren, den Sündern.
Er berührt sie – spricht ein Wort der Heilung – Er nimmt sich ihrer an und bewirkt Verwandlung. Es ist immer Sein Blick auf das, was daraus werden will. Nicht der Blick auf die Ursache, die Vergangenheit. Krankheit kommt niemals als Strafe in ein Schicksal. Aus Absonderung, Schwäche, gerade auch aus der Sünde will etwas werden. Dass wir mit dem liebenden Blick des Christus gemeinsam darauf schauen lernen. Dass Sein Ich, Seine Kraft in dem, was krank ist, was „sündig“ ist, also in dem, was sich abgesondert hat, wirksam werde und eine neue Fähigkeit daraus werden kann. Dass wir uns selbst wieder finden, das Göttliche, den Christus in uns lebendig machen.
Sich auch selber, mit der Kraft des eigenen Ich, mit Bewusstsein den eigenen Schwächen, den Abirrungen und Verleugnungen zuzuwenden, bringt Licht und Wärme in die eigene Seele. Nicht Ausgrenzung, sondern Integration ist das Neue, was durch das Christentum in die Welt kommen will.

Mit lichten Kräften für die kommende Zeit im Namen der Pfarrer Ihrer Gemeinde
Alexandra Matschinsky


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Gemeindebrief – Winter 2017

Liebe Gemeinde,

in der Adventszeit leben wir unter einem weit geöffneten Himmel: Lichtkräfte strömen mit dem herankommenden Wort zur Erde herab und durchstrahlen die dunklen Nächte der Winterzeit. Längst hat die Erde ihre Lebenskräfte in sich hineingenommen und ruht in sich selbst. Doch in ihrem Inneren bereitet sich schon neues Wachstum vor.

Auch wir brauchen Momente der Ruhe und des inneren Stillwerdens, um aus dem geschäftigen Alltag zu uns selbst kommen zu können. Sie werden zu Räumen, in denen wir uns
besinnen und das herankommende Wort erfühlen können. In ihnen erheben wir unsere Seele und bereiten sie dafür vor, das Wort zu empfangen, dessen Neugeburt wir erwarten. Möge das Wort sich beheimaten können in uns – und durch uns in der Welt.

Eine lichterfüllte Advents- und Weihnachtszeit wünscht Ihnen im Namen des Pfarrerkollegiums

Anke Nerlich


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Gemeindebrief – Herbst 2017

Liebe Gemeinde,

früher hielt man sich für unwürdig, in eine direkte Beziehung mit Gott zu treten. Stattdessen verließ man sich meistens auf die Kirche, um eine Brücke zum Göttlichen herzustellen. Für das eigene Gebetsleben wandte man sich oft an einen von der Kirche anerkannten Heiligen, den man verehren konnte. Die Heiligen hatten selbst schon auf Erden gelebt und kannten das Erdenleid mit allen seinen Mühseligkeiten. In ihren Tugenden wie Barmherzigkeit, Tapferkeit und Mut ahnte man eine Offenbarung göttlicher Eigenschaften im Menschen. Durch diese Vermittler wurde aus dem fernen Gott ein kennbares, ja beziehungsfähiges Wesen.

Heute ist die Sehnsucht, der Anspruch auf Nähe, auf eine unmittelbare Beziehung zu dem Göttlichen unvorstellbar gewachsen. Selbst Kirchen werden zunehmend als Hindernis zu dem eigenen spirituellen Suchen erlebt. Zwischen mir und Gott soll keiner stehen. Kein Mensch, keine Institution. Zu Recht. Dies ist der Weg der menschlichen Freiheit. Und doch fühlt sich unser Zeitalter dadurch gottentfremdet an wie noch nie. Vaclav Havel sagte um die Jahrtausendwende, wir leben im ersten wirklich atheistische Zeitalter. Aber wenn wir als Menschen unseres Zeitalters alle vermittelnden Hilfestellungen ablehnen, was bleibt noch übrig auf der Suche nach Gott?

Als die Christengemeinschaft 1922 gegründet wurde, war die oben beschriebene Entwicklung schon im Gange. Nicht als Vermittler der kirchlichen Lehre soll die Christengemeinschaft auftreten, sondern in ihrer Mitte steht die stärkste aller religiösen Werte: Menschliche Erfahrung. Gott ist uns heute nicht ferner, sondern unendlich viel näher getreten. Der Kultus der CG will uns helfen, den entscheidenden Schritt zu machen: dass wir lernen, in jedem Gedanken, jeder Begegnung, jedem Ereignis unseres Tages das Sprechen eines unmittelbaren, führenden und wohlwollenden geistigen Wesens wahrzunehmen. Die Menschenweihehandlung möchte uns lehren, nicht der Kirche als solches, sondern unseren eigenen Erfahrungen mit einer gesteigerten Hingabe zu begegnen.

In jedem ehrlichen Versuch, uns dem Göttlichen anzunähern, der in Freiheit getan wird, machen wir eine neue, höhere Erfahrung: die geistige Welt kommt uns entgegen. Unsere freiheitlichen Bestrebungen werden bestärkt. Indem wir aktiv versuchen, uns Gott anzunähern, tritt Er uns entgegegn. In dieser Erfahrungen feiert der „ferne Gott“ seine Wiederkunft im Menschen.

Mit michaelischen Grüßen und im Namen des Pfarrerkollegiums

Marcus Knausenberger


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Gemeindebrief – Sommer 2017

An den heiligen Geist
Alles durchdringst du,
die Höhen, die Tiefen und jeglichen Abgrund.
Du bauest und bindest alles.
Durch dich träufeln die Wolken,
regt ihre Schwingen die Luft.
Durch dich birgt Wasser das harte Gestein,
rinnen die Bächlein
und quillt aus der Erde das frische Grün.
Du auch führest den Geist,
der eine Lehre trinkt, ins Weite.
Wehest Weisheit in ihn
und mit der Weisheit die Freude.

Hildegard von Bingen (1098-1179)

Liebe Gemeinde,

die Natur steht in voller Blüte. In ihr zeigt sich der Heilige Geist. Er ist die Ursache alles Seins. Hildegard von Bingen beschreibt dies in ihren Worten. Im Anschauen der Natur können wir versuchen, etwas von der Größe des Geistes zu erfassen. So leuchtet er in unserem Schauen auf und führt zu neuen Erkenntnissen. Was wir an Erkenntnis sammeln, kann zur Lebenssubstanz des heilenden Geistes werden. Er führt unseren Geist in die Weite, wie es Hildegard von Bingen beschreibt. Die Art unseres Denkens wirkt auf den heilenden Geist. Bleibt es für sich und grenzt sich ab, kann sich der heilende Geist nicht mit uns verbinden. Öffnen wir uns, geht der Weg in die Weite. Wie im Sommer die Blüten aufgehen, kann unser Denken befruchtet durch den Heilenden Geist zu neuer Blüte gelangen. Wir brauchen diese geistige Befruchtung für unser Leben, um es zu gestalten. Wieviel reicher muss es sein, wenn es durch den heilenden Geist beflügelt ist. Schließlich bringt er Weisheit in unser Denken und damit Freude.

Auch im Namen meiner KollegInnen wünsche ich Ihnen einen erfüllten Sommer mit viel von dieser Freude

Christian Bartholl


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Gemeindebrief – Frühjahr 2017

Liebe Gemeinde,
durch die Passionszeit hindurch gehen wir dem Auferstehungsfest entgegen. Es ist ein Weg, der uns im eigenen Leben sehr vertraut ist und den wir immer wieder von Neuem betreten. Es bleibt uns nicht erspart, uns zu wandeln, Vertrautes loszulassen und uns auf das einzulassen, was uns aus der Zukunft entgegenkommen möchte. So mancher Schritt, den wir tun müssen, mag uns zunächst überfordern und schmerzhaft sein. Doch es sind grade die leidvollen Momente, die unsere Seele tief berühren und öffnen für die Begegnung mit dem Menschensohn. Er ist uns vorangegangen durch das Sterben hindurch und hat uns die Auferstehungskräfte geschenkt für unser Werden. Und so ist er mitten darinnen in all unseren Wandlungen, durch die wir in unserem Leben gehen und innerlich wachsen. Rainer Maria Rilke hat folgende Worte dafür gefunden:

… Und manchmal, während wir so schmerzhaft reifen,
Daß wir an diesem beinah sterben, dann:
Formt sich aus allem, was wir nicht begreifen,
Ein Angesicht und sieht uns strahlend an.

Herzlich grüßt Sie im Namen des Pfarrerkollegiums

Anke Nerlich


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